Ich sehe den Lehrer noch heute vor mir wie er die Geschichte vom Bau der Steinmauer erzählt. Anders als bei anderen Themen aus der Schulzeit, erinnere ich mich genau an meine Empfindung beim Hören der Geschichte: ich war über die einfache aber dennoch tiefgreifende Darstellung einer Grundregel des Lebens erfreut. Die Grundregel, dass man an Perfektionismus scheitern kann, weil er den Blick auf das eigene Potenzial beeinträchtigt und den Menschen erschöpft. Was real ist in der Ganzheit - das heisst erlebbar gemacht - ist bereits perfekt. Übrigens heisst die Zeitform Perfekt in der Sprachwissenschaft „vollendete Gegenwart“ und beschreibt eine abgeschlossene Handlung, bei der das Ergebnis oder die Folge im Vordergrund steht. Ein guter Grund also, perfekt auch mal als vollkommen zu betrachten.
Zwei Steine in der Mauer
Jetzt erzähle ich die Geschichte, welche mich zum Weitererzählen inspiriert hat. Geniesse das Lesen und deine bewusste Reaktion – sie hat mit dir und deinem durch dich kreierten Leben zu tun.
Ein Mönch hatte die Aufgabe in seinem Kloster eine Mauer zu bauen. Da er noch nie zuvor gemauert hatte, war diese Aufgabe nicht einfach, es war eine Herausforderung. Aber er gab sich die grösste Mühe, alle 1000 Steine, die dafür nötig waren, gerade und gleichmässig aufeinanderzusetzen und einzupassen.
Als die Mauer schliesslich fertig war, trat er voller Stolz einen Schritt zurück, um sein Werk zu begutachten. Da sh er – das durfte doch nicht wahr sein – dass zwei Steine schief in der Mauer sassen. Ein grauenhafter Anblick!
Viele Monate später als Besucher des Klosters im Garten umherwanderten, fiel der Blick eines Gastes auf das Mauerwerk. „Das ist aber eine schöne Mauer!“, bemerkte er.
„Mein Herr“, erwiderte der Mönch überrascht, „haben sie einen Sehfehler? Fallen ihnen denn nicht die beiden schiefen Mauersteine auf?“.
Die nächsten Worte des Gastes veränderten die Einstellung des Mönches zu seiner Mauer, zu sich selbst und zu vielen anderen Aspekten des Lebens grundlegend.
„Ja“, sagte der Gast, „ich sehe die beiden mangelhaften Backsteine, aber ich sehe auch 998 gut eingesetzte Steine.“
Der Mönch war überwältigt. Zum ersten Mal sah er, neben den beiden mangelhaft eingesetzten Mauersteinen, auch die vielen anderen Steine. Sie alle waren perfekt eingesetzt. Bisher hatte er sich nur auf seine Fehler konzentriert und war allem anderen gegenüber blind gewesen.
(Buddhistische Geschichte)
Siehst du noch 2 mangelhafte Steine oder dein Gesamtwerk? Kontaktiere mich wenn du den Blick auf dein Potenzial mal anders ausrichten möchtest.